Toy Rotation im Kinderzimmer: Trend oder Lifehack?

Problem: Chaos und Langeweile im Kinderzimmer
Wenn Spielsachen neu sind, werden sie oft stundenlang bespielt. Sie sind eben noch unbekannt und interessant. Manchmal hält das auch mehrere Tage oder Wochen an, aber dann liegt es nur noch rum. Zusammen mit all den anderen Sachen, die sich im Regal, auf dem Maltisch, unterm Bett und auf dem Boden so ansammeln. Dabei gibt es direkt zwei große Schwierigkeiten: Erstens kann im Chaos kein Mensch mehr richtig und konzentriert mit einer Sache spielen und zweitens ist mit zu viel Zeug einfach richtig schwer Ordnung zu halten.
Lösung: Toy Rotation?
Spielzeug reduzieren ist eine Möglichkeit, wenn man sowieso mal ausmisten wollte. Wenn Kinder aber an ihren Sachen hängen und sich von nichts trennen können, gibt es eine andere Möglichkeit: Toy Rotation. Toy Rotation bedeutet, dass nicht immer alle Spielsachen im Kinderzimmer verfügbar sind, sondern nur ein paar wenige ausgewählte Materialien bereitstehen und die restlichen vorübergehend in Kisten z.B. im Keller gelagert werden, bis dann einige Zeit später gewechselt wird und die verfügbaren Spielmaterialien gegen andere aus den Kisten getauscht werden. So kann Überforderung und damit einhergehende Langeweile im Spielzeugchaos durch eine begrenzte Auswahl vermieden werden. Dieses Konzept hat mehrere Vorteile:

Übersicht & Ordnung
Wenn weniger Spielmaterialien im Zimmer sind, fällt es sehr viel leichter die Übersicht zu be- und Ordnung zu halten. Jedes Teil hat seinen Platz und wenn fertig gespielt wurde, ist schnell wieder alles weggeräumt, weil nicht erst lange sortiert und überlegt werden muss, wie man was wo unterkriegt.
Mit ein paar Körben oder Kisten, in denen die unterschiedlichen Materialien ihren Platz finden, oder einem gut erreichbaren Regal sieht man alles auf einen Blick und hat es bei Bedarf zur Verfügung und genauso schnell wieder weggepackt.
Konzentration & Kreativität
Zu viele unterschiedliche Spielmaterialien können Kinder überfordern und dazu führen, dass sie sich auf nichts mehr so richtig konzentrieren können.
Weniger Reize bedeuten auch weniger Ablenkung und mehr Fokus auf das Vorhandene. So können sich Kinder deutlich besser auf eine Sache konzentrieren, wenn es nicht unzählige andere Spielmöglichkeiten drumherum gibt.
In der intensiven Beschäftigung mit einer Sache rückt diese in den Fokus und es können kreative neue Verwendungsweisen entstehen, auf die man vorher in der oberflächlichen Beschäftigung nicht gekommen wäre.
Wertschätzung & Abwechslung
Wenn nicht alles zu jeder Zeit verfügbar ist, bekommen die einzelnen Spielmaterialien mehr Aufmerksamkeit, wenn sie dann da sind und werden entsprechend mehr wertgeschätzt.
Indem sie nur eine begrenzte Zeit da sind, werden sie in dieser intensiv genutzt und wenn sie wieder weggepackt werden, ist die Freude über die neuen alten Sachen und die damit veränderte Spielsituation oft groß.
Nachhaltigkeit & Ressourcenschonung
Ständig neues dazu kaufen, weil das Vorhandene langweilig geworden ist, bedeutet auch eine Belastung für die Umwelt. Wenn vorhandene Spielmaterialien nach einer Zeit der Abwesenheit wieder da sind und die Spielfreude so groß ist, wie bei neuen Sachen, ist das daher doch eine Winwin-Situation für die Kinder, die Umwelt und den Geldbeutel.
Außerdem verändern sich die Interessen und Spielgewohnheiten der Kinder permanent, was bedeutet, dass bekannte Spielmaterialien oft ganz anders und neu bespielt werden, nachdem sie eine Weile weg waren.
Selbständigkeit & Resilienz
Durch die begrenzte Auswahl fällt auch die Entscheidung, was als nächstes gespielt wird, häufig leichter. Und sie kann selbständig getroffen werden, was Kinder in ihrer Selbstbestimmtheit unterstützt.
Kinder die ein gesundes Selbstbewusstsein haben und sich ihrer eigenen Wirksamkeit bewusst sind, können mit einer Resilienz durch die Welt laufen, die sie ihr Leben lang stärkt.

Herkunft: Montessori
Toy Rotation kommt ursprünglich aus der Montessori-Pädagogik und unterstützt das Motto Hilf mir, es selbst zu tun. Spielmaterialien nach Montessori geben daher häufig einen klar definierten Rahmen vor, innerhalb dessen die Kinder frei und auf die eigene Weise eine spielerische Aufgabe lösen - beispielsweise bei Steck- oder Sortierspielen.
Indem Erwachsene Kinder weitestgehend selbst Dinge lernen lassen und ihnen, wie beispielweise bei der Toy Rotation, die eigenständige Wahl innerhalb einer kuratierten Vorauswahl lassen, unterstützen sie dabei selbstständig zu werden und sich konzentriert aber mit kreativem Freiraum im Spiel zu entfalten.
Tipps zur Umsetzung
Um die Umsetzung bestmöglich in den Familienalltag zu integrieren und keinen zusätzlichen Stress zu generieren, haben wir hier ein paar Tipps für gesammelt.
Wie oft wird rotiert?
Da könnt ihr euch langsam herantasten und schauen, wie lang das Kind mit den vorhandenen Spielsachen gut ins Spiel findet und Lust darauf hat. So könntet ihr z.B. nach 4-6 Wochen mal schauen, wie die Lage ist. Falls die Materialien noch bespielt werden, lasst es gerne länger. Ihr werdet selbst schnell merken, wie oft es euch organisatorisch gut machbar ist und wie lang das Kind seine aktuelle Auswahl interessant findet. Stresst euch dabei aber nicht, sondern findet einen Rhythmus, der erstens flexibel bleibt und zweitens allen gut tut.
Wer entscheidet, was bleibt und was vorerst wegkommt?
Je nach Alter des Kindes ist es sinnvoll, das selbst oder auch gemeinsam in Abstimmung mit den Kindern zu entscheiden. Kleine Kinder bis etwa 3 Jahre müssen noch nicht zwangsläufig miteinbezogen werden. Trotzdem sollte die Auswahl natürlich in ihrem Interesse stattfinden. Nach einem Wechsel werden sie sicherlich begeistert die „neuen“ Sachen bestaunen und bespielen.
Ältere Kinder haben sicherlich teilweise auch schon ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche, womit sie in nächster Zeit gerne mal wieder spielen würden. Sie haben häufig ja auch schon selbst einen gewissen Überblick über die Dinge, die sie besitzen. Außerdem ist es gut, sie selbst mit einschätzen zulassen, was sie aus ihrem Zimmer aktuell nicht unbedingt bespielen und was entsprechend vorerst in den Keller kann.

Was ist, wenn mein Kind ein Lieblingsspielzeug hat – muss das auch mitwechseln?
Sich von aktuell geliebtem Spielzeug trennen zu müssen ist natürlich nicht die Absicht von Toy Rotation. Sie soll immer wieder mal frischen Wind in die Spielsituation bringen und inspirieren, aber sich nicht wie ein Verlust anfühlen. Aktuelle Spielmaterialien können also natürlich auch einfach trotz eines Wechsels bleiben. Achtet da ganz auf euer Kind.
Wie können wir die den Überblick über die Spielsachen und Kisten behalten?
Wir empfehlen auch hier ein paar klar gekennzeichnete Kisten, in die die verschiedenen Themen einsortiert werden und dann auch schnell wiedergefunden werden können.
Was, wenn mein Kind seine Spielsachen nicht hergeben möchte?
Es ist wichtig, dem Kind zu erklären, dass die Spielsachen nicht verschwinden, sondern nur eine Zeit lang weggeräumt werden. Falls du das Gefühl hast, dass es das nicht versteht, ist es evtl. hilfreich, dass du es beim Wegräumen miteinbeziehst und es auch weiß, wo die Kisten gelagert werden. Wenn ihr dann schon ein paarmal gewechselt habt, weiß dein Kind schon, dass für jedes Teil, das verräumt wird, ein anderes wieder zurückkommt.

Erweiterung: Furniture Rotation
Einen Schritt weiter als Toy Rotation geht die Furniture Rotation. Wie der Name schon sagt, werden hier nicht nur Spielmaterialien gewechselt, sondern auch Möbel miteinbezogen. Der Wechsel der Möbel meint aus praktischen Gründen aber eher ein Umräumen innerhalb des Zimmers und kein komplettes Austauschen von Möbeln.
So können die Möbel beispielsweise ab und zu innerhalb des Kinderzimmers rotieren und neue spannende Spielsituationen ermöglichen. Es reicht, wenn man sich dabei auf die Spielbereiche bezieht und nicht immer alles inklusive Bett und Schrank verändert, aber die kleinen Spielecken, die es in den meisten Kinderzimmern gibt, können dadurch ein wenig aufgefrischt werden.
Der Spielständer kann zum Beispiel mal zu einem Kaufladen umgebaut werden, anstatt als Regal zu dienen oder das Puppentheater wird zum Puppenhaus, der Maltisch zum Bautisch oder das Wandregal mit Büchern zu einem kleinen Jahreszeitentischchen. Hier gibt es wirklich viele Möglichkeiten kreativ zu werden. Die Veränderung der Spielumgebung kann eine neue Atmosphäre schaffen und immer wieder neu zum Spielen anregen.

Fazit:
Zusammenfassend kann man sagen, dass regelmäßige Toy Rotation durchaus dazu führen kann, dass Kinder ihre Spielmaterialien immer wieder neu entdecken und intensiver, fokussierter und kreativer damit spielen. Auch der Punkt Ordnung halten ist mit weniger Kram definitiv leichter machbar. Indem sich das Spielumfeld regelmäßig verändert und an aktuelle Bedürfnisse angepasst wird, wird sich das Kind immer wieder neu für altbekanntes begeistern können und sich damit beschäftigen. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass Toy Rotation weder zum stressigen To Do für die Eltern, noch zur Unsicherheit für die Kinder wird und ihr das Thema für euch so gestaltet, dass es für alle ein Gewinn ist. Denn dann ist Toy Rotation mehr als nur ein kurzlebiger Trend, sondern kann euch den Alltag als langfristiger Lifehack erleichtern.